Das Kleid

Elsbeth Ballerstedt

Die Bezeichnung ‚Kleid' wird abgeleitet von dem mhd. Wort ‚kleit'. Ein Kleit war ursprünglich ein aus mit klei (fetter Tonerde) gewalktem Tuch hergestelltes Kleidungsstück. Erst ab dem 12.Jh. ist ‚Kleid' als Bezeichnung für Kleidung von Männern wie Frauen üblich. Erst ab etwa dem 14.Jh. wird das Kleid allein der weiblichen Bekleidung zugeordnet.

Als Vorformen des Kleides gelten Hemd- oder Wickelgewänder bei Frauen, die schon ca. 3200- 2200 v.Chr. getragen wurden. Die römische Tunika mit darüber getragener Stola war Vorbild der Doppelgewänder des 12.-19 Jhs., die sich aus Ober- und Unterkleid zusammensetzten. Eigentliche Urform des heutigen Kleides ist die ‚Cotta'oder ‚Kotte', ein Hemd- bzw. Kittelgewand, die ab dem 12.Jh. erstmals durch schnitttechnische Mittel am Oberteil am Körper anliegend gefertigt wurde. Ab der ersten Hälfte des 15.Jh. hatte das Kleid in etwa seine heutige Form angenommen.

Schnitt und Material variieren in der Geschichte des Kleides je nach Funktion, Mode- oder Körperideal. Grundsätzlich kann gelten: Ein Kleid bedeckt den oberen und unteren Teil des Körpers und hat im unteren Bereich einen Rockteil, der im Gegensatz zur Hose keine ‚Trennteile' zwischen den Beinen besitzt. Heute ist ein Kleid meist ein einteiliges Kleidungsstück, das eine zusammenhängende Einheit aus Gestaltung, Ausdruck und Trageeigenschaften darstellt. Früher wurde es aus rein praktischen Gründen auch aus zwei zusammen-gehörenden Teilen (Rock- und Oberteil) gefertigt.

Die Schnittformen des Kleides reichen von sehr körpernahen, über verhüllende bis hin zu körperverneinenden und proportions-verändernden Varianten mit verschiedenen Hilfskonstruktionen, (wie Hüftpolster, Korsett, Reifrock, Rosshaarversteifungen usw.). Die verschiedenen Schnittelemente des Kleides können fast beliebig in Position, Form und Größe verändert werden, z.B. Taille, Saum, Ärmel-ansatz, Ärmel, Rockteil, Hüfte, Rückenteil usw. Hinzu kommen als weitere gestalterische Elemente, neben reinen Zierelementen wie Volants, Raffungen, Spitzen, Stickerein o.ä. damals wie heute, oft auch noch Gebrauchselemente wie Taschen oder Verschlüsse.

Von je her gab es Kleider, die nicht nur als Kleidungsstück eine Funktion erfüllten z.B. Schutz vor Sonne, Kälte, Blicken oder Bequemlichkeit in der Freizeit boten, Ausdruck der Stellung der Trägerin waren, oder im Dienst der Erotik standen, sondern auch Kleider, die speziell bestimmten Anlässen, Orten oder sogar Tages-zeiten zugeordnet waren, z.B. Teekleid, Ballkleid, Reisekleid, Abend-kleid, Sommerkleid, Mittagskleid, Hauskleid, Straßenkleid Brautkleid usw.

Heute ist das Kleid aus funktionalen Gründen als Hauptkleidungs-stück der Frau von Rock und Bluse oder Hosen im Alltag fast ver-drängt worden. Aufgrund seiner unnachahmlichen Ausstrahlung als vollständiges, harmonisches Ganzes mit sehr femininem Charakter, ist es aber dennoch immer noch bei Männern wie Frauen beliebt.

braunes Kleid
zum Kleidergedicht
Literatur: Loschek, Ingrid: Reclams Mode und Kosümlexikon, Stuttgart, 1994, S.284-298
Abbildung
: burda 4/99, S. 30
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