Kopftuch Wahrnehmungen
Vera Eickhoff

Lovis Corinth: innocentia

Lovis Corinth: "Innocentia",

  • Kopfbedeckungen lassen ein zweites Gesicht entstehen, denn sie verändern den Menschen sehr stark in seinem Typ.
  • Kopfbedeckungen sind durch Formenvielfalt ein Medium der Anschauung. Seit der Neuzeit dienen sie z.B. als sozialpolitisches Gesinnungszeichen (Zylinder- aufrechter Erhalter der Staatsräson; Schlapphut- sozialer Umstürzler).
  • Dass eine Wechselwirkung zwischen dem Mensch und seiner Kleidung besteht, wird auch an der Kopfbedeckung deutlich, da die Kopfbedeckung auf die körperliche und auch geistige Haltung ihres Trägers zurückwirkt.
  • Seit jeher waren die Kopfbedeckungen Zeichen der Gesellschaft. In dieser Funktion wurden sie erschüttert, als sich nach dem ersten Weltkrieg der Kleidungsstil des Alltags änderte.

Rudolf Lehnert, Tunesische Mutter, vor 1914

Rudolf Lehnert:
tunesische Mutter, um 1910

Das Kopftuch.

Ich habe als Kind manchmal eine Regenhaube tragen müssen. Als ich dann älter wurde hat sie eine Kapuze abgelöst. Ich empfand beides als störend. Der Kopf konnte nicht mehr so gedreht werden, wie ich es wollte, ständig war mir etwas im Weg. Ich habe mich so nicht wohl gefühlt, glaubte jeder starrt mich an. Dann kam die Zeit, wo es 'cool' war mit einem Bandana-Tuch herum zu laufen. Ich habe diesen Trend zwar mit gemacht, aber wohl habe ich mich damit nie gefühlt. Das Kopftuch war ein völlig fremder Gegenstand. Das hat sich für mich bis heute nicht geändert. Ich kann sie immer noch nicht tragen und mich auch nur annähernd wohl fühlen. Obwohl es sicherlich manchmal ganz angenehm wäre, eines zu tragen. (Wenn ich z.B. morgens aufstehe und meine Haare waschen muss, obwohl ich lieber noch schlafen würde, oder wenn ich versuche etwas Frisurähnliches hin zu bekommen und es auch beim x-ten Versuch nicht klappt.) Besser scheint es da einigen anderen Frauen zu gehen. Sie sehen beim Tragen ihrer Kopftücher richtig würdevoll aus. Man sieht ihnen an, das sie die Tücher aus Überzeugung tragen. Ihnen scheinen die Blicke der anderen nichts auszumachen. Im Gegenteil, die Blicke scheinen die Frauen zu bestärken. So verschieden können die Ansichten über das Tragen von Kopftüchern sein, es kommt nur auf den Blickwinkel an.

Jugendliche in den 50er Jahren

Selbstversuch mit Kopftuch

Im Rahmen des Wahrnehmungsseminars habe ich in einem Selbstversuch die Wirkung des Kopftuchs auf Andere (und meine eigenen Gefühle dabei) zu erforschen versucht. Im Sommer 2000 habe ich ein Kopftuch (moderne Trageform; zwei Zöpfe) angezogen in bin in dieser Aufmachung in der Stadt zum Einkaufen gegangen. Ich habe mich dabei extrem unwohl gefühlt. Das Tuch war mir immer im Weg und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es mir verrutscht. Außerdem kam ich mir die ganze Zeit beobachtet vor.

zurück... Literatur: Ingrid Loschek, Accessoires, Symbolik und Geschichte, F. Bruckmann KG, München 1993