Architekten-Traum (1957)


Gestern war ich auf dem Mond
— neuerdings ist das ja möglich,
und man hatte mir gesagt:
Dieses Schloss sollst du zerstören
und dann in drei Tagen wieder
auf die alte Schönheit bringen!

Unverständlich war mir alles,
doch als guter Mensch der Masse,
der dem Auftrag treu gehorcht,
wenn er nur in Mode ist,
griff zur Schaufel ich und Hacke
und zur Dynamitpatrone.

Herrlich wie die alten Türme
trutzig, wehrhaft wie sie waren
und mit Moos und Efeudickicht
bis zum grünen Dach bekleidet —
mit barbarischem Getöse
in der kalten Luft zerbrachen:
Flammen speiende Vulkane!

Rasselnd stürzten Eichenbohlen,
Fenster rötend und zerberstend,
makelloses Weiß der Wände
schrieb das Feuer Runenzeichen.



Sparren streckten ihre Arme
schwarz zur Mutter Erde hoch,
die, ich glaubte es zu sehen,
— allerdings nur für Sekunden —
schüttelte ihr blaues Haupt;
und für eine halbe Stunde
standen zu den tausend Sternen
weitere zehntausend oben,
wo sie ohne Laut zerstoben.

Welche Freude, das zu sehen!
Und ich fühlte mich so richtig
als der Herr der ganzen Schöpfung ...

Später leider, als das schwarze
stinkend qualmende Gerümpel
wenig schönen Anblick bot,
ward mir doch ein wenig anders,
denn drei Tage sind nicht lange!

Und jetzt schufte ich schon ganze
vierzig Monde – vierzig Erden —
wollt ich sagen, an dem Bau;
und er will nicht fertig werden;
nicht einmal der linke Eckturm,
wie der Denkmalschutz es wollte,
der hier jedes Jahr erscheint ...
Übrigens, vor 14 Tagen
sagte man mir, dieses Schloss
sei mein eigenes gewesen.
Ich muss sagen, ganz allmählich,
wird die Mode mir zur Last

 

 

MCZ: "Turbulenzen", Zeichnung a. d. Tagebuch, 1959 (Negativdruck).


 

 

zurück zum Hauptmenu zurück zum Menu "Gedichte" zum nächsten Gedicht

(bitte einen Namen anklicken!)