An Susanne
(Herbst 1988)

Pygmalion

Pygmalion verliebt sich in das Bild,
das er selbst entwarf.
Das Bild wehrt sich.
Es will nicht geliebt werden, weil es lebt
und weil es nicht gemalt sein will,
von irgendwem.


Jede realistische Kunst ist Vergewaltigung,
nur die abstrakte Kunst ist rein.
Deshalb wird letztere heute auch hoch geschätzt:
die Macht der Frauen!





Haiku

Mädchen
mein Haar ist grau,
aber meine Seele blüht!


Der Abstand zu Dir ist nicht weit
– eine halbe Tischplatte nur;
zu nahe fast Dein goldbrauner Arm
über dem schwarz spiegelnden Grund.
Doch die undurchdringliche Mauer der Luft,
der gläserne Zwischenraum,
lähmt meine Hand.

Die Kerzen malen Dein Gesicht:
Aus dem Licht lebt es, aus den Schatten, den Augen
unter den Bogenstrichen der Brauen;
glatte Geste der blonden Strähne;
der fahrige Vorhang der Finger –
dahinter die Mundmolluske:
Du bist schön!

Die Laute, die Worte, die Sätze,
die Augen, der Mund, das Ohr,
die ganze Gestalt deines runden Körpers,
zerfällt in diffuse Flecken.
Ich sehne mich näher zu Dir!

Mein Mund spricht Töne,
Sprechblasen,
die ich nicht mehr verstehe.
Was ist geschehen?

Wir sind wie zwei Teile einer Skulptur,
(Entwurf nur, nur Skizze, erste Idee),
die unerbittlich getrennt sind
durch Zwischenraum,
der sich breit macht... Henry Moore!

Du bist schön!
Schon wieder um hundert Jahre gealtert,
ich, Barbarossa.
Mein Bart wächst durch den Tisch,
mein Rückgrat friert ein,
stählerne Bänder um meine Brust!

Dein Körper ist nahe, Deine Seele ganz fern:
"Was hast du erwartet,
dir versprochen von diesem Abend?"
– Ich versprach mir nichts und verspreche mich ständig.
Nichts darf ich denken, nichts hoffen,
verboten die Träume: Liebes-Zensur!

Was geschah da eben?
Warum der flüchtige Kuss?
Wo doch die zärtliche Geste der Hand schon Dich schmerzt?
(Ich habe die Krankheit, meine Finger den Aussatz!
Alles Ist Drängender Schmerz!)

Was hast Du da eben geträumt?
Und was treibt Dich weg, welche Angst?
Zu viele Gedanken
brennen hinter meinen Augen.
Die Uhr swatscht weiter...
gleich muss ich gehn!
Ein Jahr ist gereift, doch die Äpfel sind stichig,
kein Grund zur Verführung!

Du bist schön.

Ja ich gehe, gleich geh ich!
Stehe gelähmt vor Dir
– zwischen uns der Spiegel –
bis die Tür ins Schloss fällt...

 

 

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