Zunächst
gilt festzuhalten, dass eine derartige Benennung im Werke Rembrandts
nichts Außergewöhnliches bedeutet. Immerhin hatte er
fast zwanzig Jahre mitten im Judenviertel gewohnt. Er war mit dem
Amsterdamer Rabbiner und Drucker Menasse-ben-Israel befreundet, der
seinem Haus gegenüber wohnte und ihm wahrscheinlich bei
hebräischen Texten und Schriften in seinen Bildern beriet.*
Den deutschen Ideologen und Judenhasser Julius Langbehn hat die
Nähe seines Idols zum Judentum natürlich irritiert.
In seinem programmatischen Werk Rembrandt als Erzieher versuchte er
deshalb, einen Unterschied zwischen dem „alten
Judentum“ und den modernen Juden zu konstruieren. Er schreibt:
„Eigenthümlich
genug zeigt sich endlich die Vornehmheit Rembrandt's in - seiner
Vorliebe für die Juden; hier begegnen sich seine lokale und
seine vornehme Gesinnung, sein Blick in die Nähe und sein
Blick in die Höhe. Er hatte diese Menschengattung
täglich vor Augen; denn er wohnte in der
Judenbreitstraße zu Amsterdam; die Keime solcher
künstlerischen und geistigen Besonderheiten liegen oft
näher zur Hand, als man meint. „Nah ist und schwer
zu fassen der Gott“ sagt Hölderlin. Ein echter und
altgläubiger Jude hat unverkennbar etwas Vornehmes an sich; er
gehört zu jener uralten sittlichen und geistigen Aristokratie,
von der die meisten modernen Juden abgewichen sind ... Rembrandt's
Juden waren echte Juden; die nichts Anderes sein wollten als Juden; und
die also Charakter hatten. Von fast allen heutigen Juden gilt das
Gegenteil; sie wollen Deutsche Engländer Franzosen usw. sein;
und werden dadurch nur charakterlos. Nichts aber ist schlimmer als
Charakterlosigkeit; sie ist das Verbrechen aller Verbrechen; sie ist
die Sünde gegen den heiligen Geist - des Individualismus - die
nicht vergeben wird.“**
Langbehns Rolle
als geistiger Vater für nationalsozialistisches Gedankengut
ist bekannt. Sein Buch artikulierte, was viele dachten und in endlosen
Auflagen verstärkte es dieses Denken bei den gebildeten
Schichten. Seine Sprache mag uns heute veraltet, seine
Gedankengänge abstrus erscheinen, und doch werden derartige
Unterscheidungen auch heute noch gemacht. Alte Vorurteile, alte
Ängste, alter Hass lebt weiter und zeugt sich fort in immer
neuen Mutationen..
.
* So
z.B. bei dem „Menetekel“ in den Gemälden
Gastmahl des Belsazar (um 1635) oder Moses zerbricht die Gesetzestafeln
(1659). Bei beiden Gemälden fällt die Korrektheit des
Textes auf.
Zum Thema „Rembrandt und die jüdische
Kultur“, speziell zu seiner Beziehung zu eingewanderten
Portugiesischen Juden, bietet sich als Ergänzung zu dem schon
erwähnten Kapitel bei Christian Tümpel die klugen und
engagierten Ausführungen von R. H. Fuchs an. (Kapitel:
Rembrandt, de joden, de bijbel. S. 41-50 in: Fuchs. Rembrandt en
Amsterdam. Rotterdam 1968). Fuchs geht davon aus, dass ein
jüdisches Paar dargestellt ist („Dat het een Joods
paar vorstelt is wel seker“), ein Gedanke, den
Tümpel in Rekurs auf seine eigenen ikonographischen
Forschungen fast schroff zurückweist. Beide sind sich
allerdings darin einig, dass Rembrandt nicht nur im Judenviertel wohnte
(das damals, so Tümpel, keinesfall orientalisch pittoresk,
sondern reich und bürgerlich war), sondern dass er auch enge,
ja freundschaftliche Beziehungen zu Juden unterhielt. Auf diese sehr
erhellenden Ausführungen, besonders zu der Freundschaft mit
Menasse(h)-ben-Israel kann ich hier nicht eingehen. Erwähnen
möchte ich aber, dass Tümpel sehr
überzeugend Rembrandts Wandlung zu einer positiven
Neuinterpretation des Judentums schildert und Fuchs ihm nicht nur
große menschliche Reife in der Darstellung jüdischer
Portraits sondern auch geradezu modernes, aufgeklärtes
Engagement attestiert. („Rembrandts eigen, ondogmatisch
geloof, zijn afkeer von leerstelligkeit [Dogmatismus] en intolerantie
en zijn gevoeligkeit voor frijdenkerei makten dat juist hij de
konstenaar was, waroop de andere onorthodoxen, zo noodig, konden
rekenen.“)
** (Julius Langbehn). Rembrandt als Erzieher. Von einem
Deutschen. Leipzig 1906. 47. Aufl. Seite 43.
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