Begegnung in Amsterdam
Michael Cornelius Zepter — Seite 12 (Maccia, Forts.)


Zunächst gilt festzuhalten, dass eine derartige Benennung im Werke Rembrandts nichts Außergewöhnliches bedeutet. Immerhin hatte er fast zwanzig Jahre mitten im Judenviertel gewohnt. Er war mit dem Amsterdamer Rabbiner und Drucker Menasse-ben-Israel befreundet, der seinem Haus gegenüber wohnte und ihm wahrscheinlich bei hebräischen Texten und Schriften in seinen Bildern beriet.* Den deutschen Ideologen und Judenhasser Julius Langbehn hat die Nähe seines Idols zum Judentum natürlich irritiert. In seinem programmatischen Werk Rembrandt als Erzieher versuchte er deshalb, einen Unterschied zwischen dem „alten Judentum“ und den modernen Juden zu konstruieren. Er schreibt:

„Eigenthümlich genug zeigt sich endlich die Vornehmheit Rembrandt's in - seiner Vorliebe für die Juden; hier begegnen sich seine lokale und seine vornehme Gesinnung, sein Blick in die Nähe und sein Blick in die Höhe. Er hatte diese Menschengattung täglich vor Augen; denn er wohnte in der Judenbreitstraße zu Amsterdam; die Keime solcher künstlerischen und geistigen Besonderheiten liegen oft näher zur Hand, als man meint. „Nah ist und schwer zu fassen der Gott“ sagt Hölderlin. Ein echter und altgläubiger Jude hat unverkennbar etwas Vornehmes an sich; er gehört zu jener uralten sittlichen und geistigen Aristokratie, von der die meisten modernen Juden abgewichen sind ... Rembrandt's Juden waren echte Juden; die nichts Anderes sein wollten als Juden; und die also Charakter hatten. Von fast allen heutigen Juden gilt das Gegenteil; sie wollen Deutsche Engländer Franzosen usw. sein; und werden dadurch nur charakterlos. Nichts aber ist schlimmer als Charakterlosigkeit; sie ist das Verbrechen aller Verbrechen; sie ist die Sünde gegen den heiligen Geist - des Individualismus - die nicht vergeben wird.“**

Langbehns Rolle als geistiger Vater für nationalsozialistisches Gedankengut ist bekannt. Sein Buch artikulierte, was viele dachten und in endlosen Auflagen verstärkte es dieses Denken bei den gebildeten Schichten. Seine Sprache mag uns heute veraltet, seine Gedankengänge abstrus erscheinen, und doch werden derartige Unterscheidungen auch heute noch gemacht. Alte Vorurteile, alte Ängste, alter Hass lebt weiter und zeugt sich fort in immer neuen Mutationen..
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* So z.B. bei dem „Menetekel“ in den Gemälden Gastmahl des Belsazar (um 1635) oder Moses zerbricht die Gesetzestafeln (1659). Bei beiden Gemälden fällt die Korrektheit des Textes auf.
Zum Thema „Rembrandt und die jüdische Kultur“, speziell zu seiner Beziehung zu eingewanderten Portugiesischen Juden, bietet sich als Ergänzung zu dem schon erwähnten Kapitel bei Christian Tümpel die klugen und engagierten Ausführungen von R. H. Fuchs an. (Kapitel: Rembrandt, de joden, de bijbel. S. 41-50 in: Fuchs. Rembrandt en Amsterdam. Rotterdam 1968). Fuchs geht davon aus, dass ein jüdisches Paar dargestellt ist („Dat het een Joods paar vorstelt is wel seker“), ein Gedanke, den Tümpel in Rekurs auf seine eigenen ikonographischen Forschungen fast schroff zurückweist. Beide sind sich allerdings darin einig, dass Rembrandt nicht nur im Judenviertel wohnte (das damals, so Tümpel, keinesfall orientalisch pittoresk, sondern reich und bürgerlich war), sondern dass er auch enge, ja freundschaftliche Beziehungen zu Juden unterhielt. Auf diese sehr erhellenden Ausführungen, besonders zu der Freundschaft mit Menasse(h)-ben-Israel kann ich hier nicht eingehen. Erwähnen möchte ich aber, dass Tümpel sehr überzeugend Rembrandts Wandlung zu einer positiven Neuinterpretation des Judentums schildert und Fuchs ihm nicht nur große menschliche Reife in der Darstellung jüdischer Portraits sondern auch geradezu modernes, aufgeklärtes Engagement attestiert. („Rembrandts eigen, ondogmatisch geloof, zijn afkeer von leerstelligkeit [Dogmatismus] en intolerantie en zijn gevoeligkeit voor frijdenkerei makten dat juist hij de konstenaar was, waroop de andere onorthodoxen, zo noodig, konden rekenen.“)

** (Julius Langbehn). Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen. Leipzig 1906. 47. Aufl. Seite 43.


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