Der Ohrring/ Ohrschmuck

Claudia Wintgen

Ohrringe sind meist paarweise getragener Schmuck für das Ohr, der entweder am Ohr angeklemmt oder durch das für diesen Zweck durchstochene Ohrläppchen gezogen wird. Teilweise lässt man sich sogar oberhalb des Ohrläppchens weitere Löcher stechen.

Ohrläppchen, Hals, Handgelenke und Finger bieten sich als Teile der menschlichen Gestalt vornehmlich für eine Ausschmückung an. Die Praxis, die fleischigen Teile der Ohrmuscheln zu durchstechen, um an ihnen Schmuck zu befestigen, welcher den Volksstamm oder die soziale Stellung symbolisiert, scheint im westlichen Asien ihren Ursprung zu gehabt zu haben. Durch viele Epochen der Geschichte haben sich Männer, Frauen und Kinder der Quälerei des Durchstechens der Ohrläppchen unterzogen. Die Männermode, Ohrringe zu tragen, ist dabei von einer starken Diskontinuität gekennzeichnet und ist manchmal eher ein nationales als ein kulturelles Phänomen geblieben.

Aus jüngster Vergangenheit weiß man, dass wohlhabende Leute die professionellen Dienste von Juwelieren in Anspruch nahmen, wenn man in der Familie die Mädchen für alt genug hielt, Ohrringe zu tragen. Töchter aus weniger vermögendem Hause wurden Prozeduren mittels einer Nadel unterworfen, die das Ohrläppchen durchstach, das dabei durch ein Stück Holz oder anderes Material gestützt wurde. Ab dem 19. Jahrhundert verwendete man hierzu gerne ein Stück Kork. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden Kinder wie kleine Erwachsene gekleidet und der Schmuck, den die Mädchen trugen, entsprach der herrschenden Mode.

Schon in der Jungsteinzeit (Neolithikum) wurden in Vorderasien Ohrenpflöcke getragen. Seit der frühen Bronzezeit gab es Ohrschmuck aus einfachen Kupferringen. Aus Ägypten sind Goldohrringe mit Filigranarbeiten bekannt, und in Griechenland wurden sichel- oder spiralförmige Ohrringe und Bügelohrringe oder Ohrstecker mit Tierköpfen getragen. Die griechischen Ohrringe, ob mit Gold oder mit Steinen besetzt, ob Ohrstecker oder Anhänger, waren ausgezeichnet gearbeitet, während römische Ohrringe eher einfache Formen hatten, aber dafür häufig mit wertvollen Steinen verziert waren. Spezialität bei den Etruskern war der granulierte Ohrschmuck. Bei den indianischen Völkern Mittelamerikas und des Andenraumes trugen die Edelleute goldenen Ohrschmuck und Ohrstöpsel mit eingefassten Türkissteinen.

In der Geschichte des Ohrrings gibt es nur wenige Unterbrechungen, wobei das Mittelalter die längste Pause darstellt, in der man das Haupt verhüllte, wodurch Haare und Ohren völlig verdeckt wurden. Ab dem 16. Jahrhundert begannen Frauen wieder stärkeres Interesse am Ohrschmuck zu zeigen, besonders an Perlenanhängern, die weitaus bequemer zu tragen waren als die "Girandolen", welche seit dem 17. Jahrhundert zu einfachen Anhängern in Konkurrenz traten. Die "Girandolen" bestanden gewöhnlich aus einem Oberteil, einem Zwischenstück wie einer Schleife und drei oder mehr Hängeperlen und waren so schwergewichtig, dass häufig dem Bügel, welcher durch das Ohrläppchen ging, eine weitere Öse mit einem Band hinzugefügt wurde, welches wiederum am Haar befestigt war, um die Ohren ein wenig zu entlasten. Trotz dieser hilfreichen Vorkehrung, hielten die Frauen die Zeitspanne für solche Unbequemlichkeiten eher gering, so dass sie ihren Schmuck erst beim Eintreffen auf Bällen oder Festlichkeiten anlegten, wobei sie auch dann noch die Rückseiten ihrer Ohrläppchen mit kleinen Stücken Seide polsterten. Modebewusste Frauen kamen allerdings um eine andauernde Dehnung ihrer Ohrläppchen nicht herum, die durch das Gewicht der Girandolen herabgezogen wurden.

Ohrring, etruskisch

Ohrring, späte 20er Jahre

2. von der Antike bis zum 17. Jahrhundert: weiter...
3. Experiment und Abwechslung:
Ohrringe von heute
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4. Wahrnehmung: